3 Fragen an Leif Moll, General Manager Merck Healthcare Österreich
1. Was sind derzeit die größten Herausforderungen in Ihrer Branche? Wie gut ist Ihr Unternehmen darauf vorbereitet?
"Als innovatives biopharmazeutisches Unternehmen sehen wir uns bei Merck im Wesentlichen mit drei großen Herausforderungen konfrontiert:
Zum einen werden die Innovationszyklen in den Therapiegebieten, auf die wir uns fokussieren, immer kürzer. Das bedeutet nicht nur, dass man das Innovationstempo hochhalten muss, sondern, dass es auch zunehmend schwieriger wird, die dafür nötigen, unaufhörlich steigenden Entwicklungskosten zu refinanzieren.
Einhergehend damit ist die zweite Herausforderung: der Kostendruck im Gesundheitssystem, insbesondere im extramuralen Bereich. Nach wie vor werden Arzneimittel an erster Stelle als gesellschaftliche Kostentreiber gesehen. Das stimmt erstens nicht, da die sogenannte Arzneimittelquote im Großen und Ganzen konstant bleibt. Zum anderen greift die Kostenperspektive zu kurz: Denn viele dieser neuartigen Medikamente bedeuten nicht nur neue Hoffnung für den einzelnen Patienten bzw. die einzelne Patientin, sondern bringen einen entscheidenden Mehrwert für die Gesellschaft. Patient*innen können geheilt werden, erhalten Lebensqualität zurück oder können ihren Beruf wieder ausüben. So haben beispielsweise dank Innovationen im Bereich Multiple Sklerose zehntausende von Patient*innen die Aussicht auf ein langes Berufsleben, ohne wie früher üblich, mit fortschreitender Erkrankung auf den Rollstuhl angewiesen zu sein.
Weiterer Druck auf die Medikamentenpreise wird zu nachlassendem Innovationstempo und einem Bedeutungsverlust für den Innovationsstandort Österreich und EU führen. Dieser Kostendruck ist besonders schwierig angesichts der hohen Inflation: Denn während Kosten und Gehälter im hohen einstelligen oder gar zweistelligen Bereich zulegen, kann die Branche solche Kostensteigerungen nicht weitergeben. Eine Indexierung von Arzneimittelpreisen passiert in Österreich nicht. Auch das, verbunden mit dem ohnehin niedrigen Preisniveau für viele patentfreie, aber lebenswichtige Medikamente, verhindert Investitionen in Produktionsnetzwerke, was wiederum die vielfach zu beobachtende Arzneimittelknappheit befeuert.
Und zu guter Letzt sind auch wir leider nicht vor den Auswirkungen des Fachkräftemangels gefeit. Durch einen Job in der pharmazeutischen Industrie kann man zwar auf großartige Weise gleich drei wesentliche Motivationsfaktoren verbinden: Erstens, einen unbestreitbaren Purpose, nämlich die Möglichkeit, das Leben vieler Menschen positiv zu beeinflussen. Zweitens, ein attraktives Arbeitsumfeld mit vielfältigen, auch internationalen Entwicklungsperspektiven. Und drittens, ein attraktives Vergütungspaket mit einer Vielzahl von Benefits. Dennoch ist es auch für Unternehmen aus der Branche viel schwieriger geworden, qualifizierte Kolleg*innen zu finden und auch zu halten. Mit Stellenanzeigen ist es schon lange nicht mehr getan. Ich bin gespannt, welche Innovationen hier noch auf uns warten."
2. Wie halten Sie es in Ihrem Unternehmen mit New Work – Homeoffice, Präsenz oder Hybrid? Welche Erfahrungen haben Sie als Führungskraft damit gemacht?
"Die Pandemie hat uns wie im Zeitraffer aufgezeigt, welche Möglichkeiten in dieser neuen Arbeitswelt stecken. Mit Homeoffice und virtuellen Meetings ging eine Flexibilität einher, die entbehrliche Pendelkilometer und Flugreisen reduziert hat und somit nicht nur einen positiven Effekt auf die Umwelt, sondern auch auf das Wohlbefinden der Kolleg*innen hatte – insbesondere für solche, für die Vereinbarkeit besonders wichtig ist, oder die Care-Arbeit leisten.
Hybrides Arbeiten ist gekommen, um zu bleiben, denn ich glaube nicht daran, dass Büros völlig obsolet sind. Manche Aufgaben lassen sich einfach besser lösen, wenn man gemeinsam in einem Raum sein kann. Regelmäßig wird in Umfragen auch immer wieder angegeben, dass der soziale Aspekt der Zusammenarbeit in den Teams ein wichtiger Vorteil der Anwesenheit im Büro ist. Alles in allem möchten wir ein Arbeitsumfeld fördern, in dem Mitarbeitende so flexibel und produktiv wie möglich arbeiten können. Und das heißt, dass es eine gesunde Balance aus Arbeit im Büro und im Homeoffice geben muss.
Das bringt auch neue Herausforderung für die Führung mit sich – und zwar nicht, weil es im hybriden Setting mehr Kontrolle braucht als im Büro. Vielmehr muss Führung Wege finden, die fehlende Kontaktfläche und soziale Interaktion, die es im Büro automatisch gibt, auszugleichen und so das Alignment hinter dem gemeinsamen Ziel und eine einheitliche Schlagzahl sicherstellen."
3. Was raten Sie Mitarbeiter*innen beim Start in einer neuen Position?
"Zuallererst sollte man mutig sein, sich Dinge zutrauen und bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Ich kann stolz sagen, dass wir bei Merck eine Kultur haben, die dazu ermutigt, kreative Lösungen zu finden und ausgetretene Pfade zu verlassen. Denn Innovation gelingt nicht, wenn man keine neuen Fußspuren hinterlässt. Dazu braucht es aber eine gesunde Fehlerkultur, denn auf diesen Wegen werden unweigerlich Fehler passieren – entscheidend ist, wie man damit umgeht.
Zweitens, nicht vergessen, dass man alleine in aller Regel nicht erfolgreich sein kann – also ein Team oder ein Netzwerk braucht. Praktisch heißt das in den ersten Wochen und Monaten, eine Balance zu finden aus Taskorientierung, dem Einbringen neuer Ideen und dem Infragestellen des Status Quo einerseits und genug Zeit aufbringen für's Networking und das Rücksichtnehmen auf Gepflogenheiten und Teamdynamiken andererseits.
Und drittens sollte man, sobald man in seinem neuen Job "angekommen" ist, über den Tellerrand rausschauen, sich in Projekte einbringen und seinen Horizont permanent erweitern. Auf diese Weise bleibt der Job spannend, man lernt das Unternehmen von einer neuen Perspektive kennen und man positioniert sich auch für mögliche nächste Schritte. Dieses Potenzial ist nicht zu unterschätzen."